In der Sitzung des Stadtrates am 29.01.2020 stand die Verabschiedung des Haushaltes für das Jahr 2020 auf der Tagesordnung. In seiner Haushaltsrede machte der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Eric Eigendorf, die Schwerpunktsetzungen in den Bereichen Soziales, kulturelle Bildung und Umwelt deutlich. Im Ergebnis wurde ein gemeinsamer Änderungsantrag mit den Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, MitBürger & Die Partei und FDP mehrheitlich verabschiedet. Der Antrag ist hier einzusehen: http://buergerinfo.halle.de/vo0050.asp?__kvonr=17107&voselect=16705.
Die Rede dokumentieren wir hier im Wortlaut. Es gilt das gesprochene Wort:
Sehr geehrte Damen und Herren,
lässt sich die Aufgabe in Worte fassen, die uns unsere Wählerinnen und Wähler nicht nur für unser Wirken im Stadtrat, sondern auch ganz konkret im Bezug auf den heute zu verabschiedenden Haushalt für das Jahr 2020 mit auf den Weg gegeben haben?
Nun, ich glaube, dass sich eine solche Aufgabe durchaus formulieren lässt. Auch, wenn unsere Stadt so vielfältig ist, wie ihre Einwohnerinnen und Einwohner, ist der Auftrag an uns kein anderer als der, den Volksvertreterinnen und Volksvertreter auf anderen politischen Ebenen mit ihrer Wahl erhalten.
Politik hat die Aufgabe, die verschiedenen Lebensentwürfe der Bürgerinnen und Bürger möglich zu machen. Ihr Auftrag ist es, dafür zu sorgen, dass alle Menschen eine gleiche Chance haben, ihr Leben frei und selbstbestimmt gestalten zu können. Gelingen kann das nur, wenn Politik ihre volle Kraft darauf konzentriert, auf die aktuellen Herausforderungen für Zusammenhalt und Zusammenleben wirksame Antworten zu finden.
Auch wenn wir, je nach unserer politischen Ausrichtung, unterschiedliche Vorstellungen darüber haben, wie diese Aufgabe zu meistern ist und worin diese Antworten bestehen, eint uns doch, dass wir auf dem Weg zu Lösungen alle auf die gleichen Probleme stoßen.
In Zeiten voller Kassen ist es leichter, gleiche Chancen für alle Bürgerinnen und Bürger zu schaffen und auf gesellschaftliche Fragestellungen Antworten nicht nur zu finden, sondern auch zu finanzieren. Schon heute ist aber absehbar, dass wir zumindest zu Beginn der Zwanziger des 21. Jahrhunderts in Halle von vollen Kassen vorerst nur träumen können.
Ich möchte an dieser Stelle nicht auf die bereits umfassend geführte Debatte zum Plan für den Schuldenabbau eingehen. Klar ist aber: Halle muss sparen. Im Haushaltsentwurf stand die Stadtverwaltung nun vor der Frage, wie sie mit dieser Erkenntnis grundsätzlich umgehen will. Sie hatte dabei die Wahl zwischen einer Kürzung in nahezu allen Bereichen nach dem Rasenmäherprinzip und der stärkeren Kürzung in einigen Bereichen, um in anderen Feldern der städtischen Politik Schwerpunkte zu setzen. Entschieden hat sich die Verwaltung für den letzten Weg.
Diesen Weg,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
unterstützt auch die SPD-Fraktion. Wir müssen Schwerpunkte setzen, auch wenn es an anderer Stelle weh tut. Gerade im Hinblick auf unsere Bildungseinrichtungen ist es richtig, hier trotz des Sparzwangs Geld zu investieren. Auf lange Sicht betrachtet, ist und bleibt Bildungspolitik die beste Sozial- und die beste Arbeitsmarktpolitik. Auch wenn wesentliche Grundpfeiler der Bildungspolitik auf anderen politischen Ebenen gestaltet werden, gilt: Für den Bildungserfolg unserer Kinder und Jugendlichen müssen wir auch auf kommunaler Ebene unsere Hausaufgaben erledigen. Wir müssen unsere Kitas, Schulen und Horte durch Sanierungen und den Ausbau der digitalen Infrastruktur fit machen. Mit sanierten Schulen und einer auf die Digitalisierung vorbereiteten Infrastruktur müssen wir unsere Hausaufgaben für den Bildungserfolg der halleschen Kinder machen. Seien Sie sich daher auch in Zukunft der Unterstützung der sozialdemokratischen Fraktion bei Investitionen in die Bildungslandschaft sicher.
Die Bildungslandschaft in unserer Stadt endet aber nicht an den Toren der städtischen Schulen. Gerade die kulturelle Bildung findet in unserer Stadt in vielen verschiedenen Einrichtungen und Projekten außerhalb der Schulgebäude statt. Auch deswegen ist Halle mit Recht Kulturhauptstadt unseres Bundeslandes. Solche Orte der kulturellen Bildung sind wichtig für unsere Stadt – besonders weil sich die Zielgruppe nicht nur auf Schülerinnen und Schüler beschränkt. Die Orte der kulturellen Bildung stehen allen Hallenserinnen und Hallensern offen und füllen damit die häufig in politischen Sonntagsreden verwendete Redewendung vom „lebenslangen Lernen“ mit Leben.
Umso verwunderlicher ist es, dass gerade bei zwei der wichtigsten kulturellen Bildungsorte in unserer Stadt den Rotstift angesetzt werden sollte. Für uns haben das Stadtmuseum und die Stadtbibliothek eine Sonderstellung. Das Stadtmuseum macht die hallesche Geschichte erlebbar und hilft so auch, die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft zu gestalten.
Die Stadtbibliothek macht mit ihrem Mix aus Büchern und moderner Medienarbeit Lust auf Bildung – gerade auch in Zeiten, in denen wir allzu oft dem Reiz der Displays von Handys, Tablets oder Computern erliegen. Die Stadtbibliothek bietet eine breite Auswahl. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Auch für den kleinen Geldbeutel ermöglichen wir so eine umfassende kulturelle Bildung.
Lokale Geschichte erlebbar machen, Literaturbegeisterung fördern – das sind für uns wesentliche Aufgaben der städtischen Kultur- und Bildungspolitik. Die vorgeschlagenen Kürzungen stehen aber in einem krassen Gegensatz zur Erfüllung dieser Aufgaben. Stadtmuseum und Stadtbibliothek finanzielle Mittel und Personal zu kürzen, bedeutet, dass die kulturelle Bildung in unserer Stadt gerade für die eingeschränkt wird, die sich kein Opernabonnement leisten können.
Im gemeinsamen Änderungsantrag mit den Kolleginnen und Kollegen von den Linken, den Grünen, den Mitbürgern & Die PARTEI sowie der FDP beantragen wir daher, die Schwerpunktsetzung so zu verschieben, dass keine Kürzungen beim Stadtmuseum und bei der Stadtbibliothek erfolgen.
Auch in anderen Bereichen sehen wir die Notwendigkeit, die von der Verwaltung vorgeschlagenen Schwerpunkte zu verschieben. Es geht dabei nicht darum, einzelne Politikfelder gegeneinander auszuspielen. Es geht darum, die Felder zu identifizieren, auf denen mit den begrenzten Mitteln der größte positive Effekt für das Zusammenleben in unserer Stadt erzeugt werden kann.
Der für uns wichtigste Bereich ist dabei die städtische Sozialpolitik. Wenn wir allen Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt die gleichen Chancen ermöglichen wollen, muss unser Fokus auch auf die gerichtet werden, die aus verschiedenen Gründen in einer persönlichen Notlage sind und diese nur mit Unterstützung bewältigen können. Der Erfolg eines guten Zusammenhalts in unserer Stadtgesellschaft hängt auch davon ab, wie wir mit denen Umgehen, denen nicht von vorneherein alle Chancen und Möglichkeiten offenstehen.
Der Sozialstaat ist auch auf städtischer Ebene kein Bonus je nach Haushaltslage und kein Luxus, den wir uns nur gönnen, wenn ein bisschen Geld übrigbleibt. Er ist die materielle Einlösung des Solidaritätsversprechens in unserer Gesellschaft. Dieses Versprechen kann der von Ihnen vorgelegte Haushalt nicht an allen Stellen halten.
Bei den Haushaltsberatungen im Dezember hat die SPD-Fraktion bereits deutlich gemacht, dass wir für viele Kürzungen im Sozialbereich kein Verständnis haben. Mit uns sind Kürzungen an den Stellen, an denen sie die Schwächsten unserer Gesellschaft treffen, und an denen sie den größten Schaden für die, die unsere Hilfe am dringendsten bräuchten, darstellen, nicht zu machen.
Im vorliegenden, von uns unterstützen Änderungsantrag haben wir uns daher dafür eingesetzt, die im Entwurf noch enthaltenen Kürzungen bei der Jugendsozialarbeit, der Förderung von Familien, der Wohlfahrtspflege und der Suchtberatung rückgängig zu machen. Damit können wir gemeinsam, als Stadtrat und Stadtverwaltung, auch in den kommenden Monaten das Signal aussenden, dass wir an der Seite derer stehen, die unsere Unterstützung brauchen. Wer mit Arbeit, der Erziehung von Kindern oder der Betreuung und Pflege von Angehörigen bereits stark gefordert ist, wen die Folgen von Arbeitslosigkeit belasten, der soll sich nicht noch Gedanken darüber machen müssen, ob er in seiner Heimatstadt die Hilfe bekommt, die er benötigt.
Diesem Ziel fühlen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns verpflichtet – unabhängig von der Kassenlage. Wir tun dies, weil wir davon überzeugt sind, dass eine gute, eine präventive Sozialpolitik ein entscheidender Baustein für die Zukunftschancen der Menschen in unserer Stadt ist.
Spätestens seit dem vergangenen Jahr bestimmt noch ein anderes Zukunftsthema die politische Debatte auch in unserer Stadt. Nicht zuletzt durch die „fridays for future“-Bewegung ist uns allen noch bewusster geworden, dass Klimapolitik nicht nur auf EU-Gipfeln und Weltklimakonferenzen stattfindet. Auch wir hier vor Ort können, ja müssen unseren Beitrag dazu leisten. Nur so können wir sicherstellen, dass von den Entwicklungen, die wir heute in unserer Stadt anstoßen, auch noch die Generationen unserer Enkel und Urenkel profitieren können.
Ein entscheidender Baustein einer Politik, die den Klimawandel bremst und sich auf die jetzt schon spürbaren Folgen der Erderwärmung einstellt, ist die Frage des Stadtgrüns. Aber trotzdem mussten wir erleben, dass zwei Dürresommer dem Baumbestand erheblich zugesetzt haben. Um die Verluste auszugleichen und dazu neue Bäume zu pflanzen, hat aber im Haushaltsentwurf das Geld gefehlt. Wir freuen uns daher, dass wir im Rahmen unseres Änderungsantrages auch hier einen Schwerpunkt setzen können.
Meine Damen und Herren,
die sozialdemokratische Fraktion legt Ihnen zum Haushaltsentwurf der Stadtverwaltung gemeinsam mit den anderen unterzeichnenden Fraktionen einen umfassenden Änderungsvorschlag vor.
Unsere Schwerpunkte sind dabei die Bildungs-, die Sozial- und die Umweltpolitik. Mit den von uns vorgeschlagenen Summen sind keine großen Sprünge möglich. Sie werden die Herausforderungen, denen wir uns in diesen Politikfeldern gegenübersehen, nicht von heute auf morgen lösen. Die von uns in den Änderungsantrag eingebrachten Summen in diesen Bereichen sind aber auch nicht willkürlich gewählt. Jeden unserer Vorschläge haben wir bereits in unserem ersten Änderungsantrag im Dezember des letzten Jahres mit Deckungen versehen, von denen wir schon damals sagen konnten, dass sie auch realistisch sind. Unsere Ansätze sind der Kompromiss zwischen dem politisch Notwendigen und dem finanziell Machbaren.
Die Änderungen sind vor allem eins: ein guter Anfang, um in diesen Bereichen in den kommenden Jahren unsere Bemühungen zu verstetigen. Und sie sind nicht zuletzt – und damit komme ich zurück zum Beginn meiner Rede – ein Beitrag dazu, dass die Hallenserinnen und Hallenser unabhängig von Alter, Geschlecht, Einkommen oder ursprünglicher Herkunft die gleichen Zukunftschance haben und die Möglichkeit bekommen, das Leben zu leben, das sie sich vorstellen.
Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.