Rede Eric Eigendorf (Vorsitzender SPD-Fraktion) zum Haushaltsplan der Stadt Halle (Saale) für das Jahr 2022

Nach Abstimmung unter den Fraktionsvorsitzenden wurden die Haushaltsreden in diesem Jahr im Rahmen der
Stadtratssitzung am 22.12.2021 zu Protokoll gegeben.

 

Sehr geehrte Frau Vorsitzende Müller,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Geier,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

die aktuelle pandemische Lage in unserer Stadt ist eine erhebliche Herausforderung für uns alle.
Ich bin trotzdem zuversichtlich, dass wir auch diese Welle überstehen werden, wie wir schon die
letzten Wellen der Pandemie in den vergangenen Monaten gemeistert haben. Unsere Stadt hat seit
März 2020 gezeigt, dass sie die Herausforderungen einer solchen Lage überwinden kann und
zusammensteht – gerade, wenn es ernst wird und wir alle aufeinander angewiesen sind.

Diesen Zusammenhalt haben wir den Bürgerinnen und Bürgern zu verdanken, die in großer
Solidarität bei der Eindämmung des Infektionsgeschehens geholfen und damit sich selbst und andere
geschützt haben.

Das verdanken wir dem medizinischen Personal und den Pflegekräften, die seit dem Ausbruch der
Pandemie am Limit ihrer Kräfte arbeiten. Aber auch die Verwaltungsspitze, der Fachbereich
Gesundheit und alle in der Stadtverwaltung engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben zur
Bekämpfung der Pandemie erheblich beigetragen. Dafür möchte ich Ihnen unseren herzlichen Dank
aussprechen!

Trotzdem müssen wir heute feststellen, dass die Pandemie – anders als ich im letzten Jahr hier
gehofft habe – noch nicht hinter uns liegt. Die Folge sind nicht nur Herausforderungen und
Einschränkungen, die wir im Alltag erleben. Die Pandemie ändert auch – im wortwörtlichen Sinne –
die Vorzeichen, unter denen wir den städtischen Haushalt für das kommende Jahr aufstellen.
Nachdem es uns in den vergangenen Jahren gemeinsam gelungen ist, Einnahmen und Ausgaben der
Stadt in der Waage zu halten, werden wir es im kommenden Jahr nicht mehr schaffen, die
finanziellen Folgen der Corona-Pandemie aus eigener Kraft aufzufangen.

Schon mit einem ausgeglichenen Haushalt waren die Gestaltungsspielräume eng und die
Verantwortung für den Stadtrat groß verantwortungsvolle Finanzpolitik zu machen. Diese Situation
verschärft sich nun mit dem ausgewiesenen Defizit von 23,5 Millionen Euro noch einmal. Wir werden
im kommenden Jahr unsere Prioritäten sehr genau festlegen müssen:

Was können wir uns leisten? – Aber auch: Was müssen wir uns leisten?

Das Ziel, das Defizit möglichst gering zu halten, ist dabei kein Selbstzweck. Wir schweben auch als
Kommune nicht im luftleeren Raum. Unsere Stadt ist darauf angewiesen, dass die Kommunalaufsicht
den Haushalt im Januar genehmigt. Erst diese Genehmigung ermöglicht es uns, auch tatsächlich und
nicht nur auf dem Papier handlungsfähig zu bleiben. Die Alternative zu einem genehmigten Haushalt
kann für uns keine realistische Option sein. Hinter dem kommunalrechtlichen Begriff der „vorläufigen
Haushaltsführung“ verbirgt sich ein Zustand, bei dem die Tischdecke nicht nur an allen Enden zu kurz,
sondern auch an vielen Stellen löchrig ist. Ohne einen genehmigten Haushalt können wir –
Stadtverwaltung wie auch Stadtrat – lediglich den Mangel verwalten.

Die ersten Kostenpunkte, die in einer solchen Lage gestrichen werden, sind die sogenannten
freiwilligen Leistungen. Diese Bezeichnung ist eine der größten Untertreibungen, die uns in der
Kommunalpolitik begegnen. Was nach Luxus je nach Kassenlage klingt, umschreibt nicht mehr und
nicht weniger als die Vielzahl der Dinge, die das Leben in unserer Stadt lebenswert macht. Mehr
noch: Als freiwillige Leistungen zählen auch die vielfältigen sozialen Angebote, die freie Träger
unterstützt von der Verwaltung in den verschiedenen Stadtteilen erbringen. Gerade die präventiven
Angebote, Angebote die Menschen in unserer Stadt helfen sollen, bevor das Kind in den Brunnen
gefallen ist, würde ohne einen genehmigten Haushalt dem Rotstift zum Opfer fallen.

Spätestens an dieser Stelle wird klar, dass die Frage nach einem genehmigten Haushalt nicht nur eine
kommunalrechtliche Frage ist – der Umgang mit den städtischen Schulden ist auch eine soziale Frage.
Wer in finanziell gesicherten Verhältnissen lebt, wird den Wegfall der sozialen Angebote in unserer
Stadt kaum spüren. Wer aber trotz harter Arbeit nur wenig Einkommen besitzt oder noch auf der
Suche nach einem Arbeitsplatz ist, für den wird sich mit dem Wegfall der sozialen Angebote auch persönlich vieles verändern. In besonderer Weise trifft dies gerade Kinder. Halle belegt in Sachen
Kinderarmut einen Spitzenplatz. Wir wissen alle, dass wir das nur mit langfristigem Handeln vor Ort
ändern können. Ein Jahr ohne Angebote für Kinder und Jugendliche würde uns auf diesem Weg
zurückwerfen. Und mehr noch: Ohne genehmigten Haushalt wären auch die zahlreichen Sanierungen
von Schulen und Kitas in unserer Stadt mindestens mit einem großen Fragezeichen versehen.

Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist klar: Für den sozialen Zusammenhalt in
unserer Stadt übernehmen wir am besten Verantwortung, wenn wir unseren Beitrag dazu leisten,
dass der Haushalt der Stadt Halle für das Jahr 2022 von der Kommunalaufsicht genehmigt werden
wird.

Die Folge darf aber gleichsam auch kein rigoroser Sparkurs sein, der jede positive Entwicklung bereits
im Keim erstickt. Statt Kürzungen nach dem Rasenmäher-Prinzip wollen wir durch gezielte
Schwerpunktsetzungen den Spagat zwischen dem sparsamen Umgang mit den begrenzten
finanziellen Spielräumen und Investitionen in die Zukunft unserer Stadt gelingen lassen. Der von der
Verwaltung vorgelegte Haushaltsentwurf setzt diese Schwerpunkte an den richtigen Stellen.

In die Sanierung von und den Bau neuer Schulen wird die Stadt aus eigener Kraft mehr als 37 Mio.
Euro investieren. Durch das Landesprogramm STARK III kommen dazu noch einmal mehr als 25 Mio.
Euro hinzu. Die Stadtverwaltung beschreitet damit auch unter geänderten Rahmenbedingungen
einen Weg weiter, den sie bereits in Zeiten ausgeglichener Haushalte gegangen ist. Einigkeit dürfte
zwischen uns in einem Punkt bestehen: Bereits heute sind die Schulen in vielen Stadtteilen nicht
mehr die Gebäude, die am meisten heruntergekommen sind, sondern die modernsten Gebäude mit
der besten Ausstattung. Uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist es ein wichtiges
Anliegen, dass wir diesen Weg weiter beschreiten und in unseren Schulen auch den letzten
Sanierungsstau auflösen. Die Verwaltung hat einen schlüssigen Plan vorgelegt, wie wir dies trotz des
Corona-Defizits im Haushalt lösen können.

Die Schulen in unserer Stadt können viele Probleme lösen – aber nicht alle. Auch wenn Bildung die
beste und nachhaltigste Sozialpolitik ist, werden wir weiter ergänzende Angebote in der Arbeit mit
Kindern, Jugendlichen und Familien brauchen. Nur so werden wir auch in Zukunft sicherstellen, dass
alle Kinder unabhängig vom Stadtteil, aus dem sie kommen oder dem Elternhaus die gleichen
Startchancen bekommen. Die Kleinteiligkeit der Angebote täuscht oft darüber hinweg, wie
unverzichtbar diese Angebote sind. Im Haushaltsentwurf zeigt die Stadtverwaltung, dass sie sich
dieser Bedeutung bewusst ist und die Angebote auch weiter erhalten will.

Auch im Bereich der Stadtentwicklung setzt die Verwaltung einen Schwerpunkt, der unsere
Unterstützung findet. Mit dem Wandel, dem unser Leben unterzogen ist, ändern sich auch die
Anforderungen an die Stadt mitsamt ihrer Infrastruktur. Gerade der Stadtumbau ist dabei eine
Aufgabe, die weit mehr zum Ziel hat, als die Verschönerung des öffentlichen Raumes. Mit
städtebaulichen Investitionen haben wir bereits in den vergangenen Jahren in vielen Quartieren das
Wohnumfeld aufgewertet, die Infrastruktur ausgebaut und die Qualität des Wohnens verbessert.
Trotz großer Investitionen in den vergangenen Jahren ist diese Aufgabe aber noch nicht
abgeschlossen. Unsere Stadtbevölkerung wird älter, gleichzeitig bleiben aber gerade junge Familien
eine Zielgruppe, die wir in unserer Stadt halten bzw. hierherlocken wollen. Gerade in den
Großwohnsiedlungen begegnet uns an vielen Stellen noch Leerstand und Verfall. In den
Gründerzeitvierteln spüren wir, dass ein gut ausgebauter ÖPNV ein zentrales Element für die
Mobilitätswende sein wird und wir erkennen gleichzeitig im gesamten Stadtgebiet viele Defizite, die
wir noch beim Ausbau der Radwege haben. Dass die Stadtverwaltung vor diesem Hintergrund trotz
der angespannten Haushaltslage mehr als 17 Mio. Euro für den Stadtumbau, fast 13 Mio. Euro für die
Modernisierung des Straßenbahnnetzes und fast 4 Mio. Euro für die Sanierung von Radwegen
einplant, findet vor diesem Hintergrund unsere volle Unterstützung.

Natürlich haben auch wir noch zahlreiche Ideen für künftige Schwerpunkte und Investitionen und
könnten diese Liste der Schwerpunkte noch umfangreich ergänzen. Wir wissen aber auch, dass wir in
dieser Zeit vor allem Verantwortung dafür tragen, gemeinsam mit der Verwaltung die Folgen der
Corona-Pandemie in unserer Stadt abzufedern. Gelingt uns das nicht, laufen wir Gefahr, über Jahre
hinweg unsere Handlungsfähigkeit einzubüßen. Die Herausforderungen, vor denen wir stehen,
werden darauf keine Rücksicht nehmen. Weder die Frage des bezahlbaren Wohnens noch der
Klimawandel, weder die Herausforderungen des Strukturwandels noch die immer weiter
fortschreitende Digitalisierung werden auf uns warten, bis wir wieder finanziell handlungsfähig sind.
Deswegen heißt es jetzt: Mit Augenmaß haushalten, Schwerpunkte setzen und Schwung holen, um
nach dem Ende der Pandemie wieder investieren zu können. Mit den Schwerpunkten auf unsere
Schulen, die sozialen Angebote und die Stadtentwicklung legen wir schon in diesem Jahr ein
Fundament, auf dem wir in den kommenden Jahren aufbauen können.

Der Rat wird – ich bin zuversichtlich – heute einen Haushalt der Verantwortung verabschieden –
einen Haushalt der Verantwortung für die Zukunft unserer Stadt, für die Menschen, die in ihr leben
und für zukünftige Generationen, übernimmt. Einen Haushalt, der Schwerpunkte setzt, investiert und
trotzdem nachhaltig und sparsam wirtschaftet. Einen Haushalt, der auch im Angesicht der Einschnitte
durch die Corona-Pandemie viele Errungenschaften der letzten Jahre erhält. Wir werden mit ihm die
finanzielle Handlungsfähigkeit unserer Stadt erhalten, um Halles Zukunft zu gestalten – nachhaltig,
sozial gerecht und wirtschaftlich stark.

Vielen Dank!

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